Archiv – Februar 2022

#14

Das wohl erste Ölbild von Alexander Camaro entstand 1922 während der Zeit als Student an der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe zu Breslau, wo er Schüler von Otto Mueller, Alexander Kanoldt und Johannes Molzahn war.
Noch im Charakter der Neuen Sachlichkeit verhaftet, inszenierte sich Camaro mit fixierend prüfenden Blick. In dem Selbstbildnis steht Gerti hinter ihm. Beide sind im Halbprofil dargestellt.
Eine Anmerkung Camaros auf der Rückseite eines Fotoabzugs von „Selbstbildnis mit Gerti“ lautet: “mein erstes Ölbild in Breslau auf der Akademie bei Otto Müller war auf grosser Ausstellung mit ausgestellt. Gerti und ich! 1922“.
Gerti Koper und ihre Schwester standen Camaro zu jener Zeit Model.

Dieses und weitere, zahlreiche Frühwerke Camaros sind durch den Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. In dem Werkverzeichnis von Anna Krüger wurde das Frühwerk, welches durch eine frühe Registratur mit Unterstützung von Paul Reißert handschriftlich erfasst wurde, in das Verzeichnis des malerischen Werkes von Camaro erstmals aufgenommen.

 

[Alexander Camaro, Selbstbildnis mit Gerti, 1922, Öl auf Leinwand, Kriegsverlust
Foto: Paul Reißert]

 

[EN]

Probably the first oil painting by Alexander Camaro was created in 1922, during his studies at the academy of Arts and Crafts in Wroclaw under Otto Mueller, Alexander Kanoldt and Johannes Molzahn.
In the character of the New Objectivity, Camaro stages himself with a gaze of scrutiny. Behind him stands Gerti, both are shown in half-profile.
A note on the back of a black-white-photography from „Self-portrait with Gerti“ is given: „my first oil painting in Wroclaw at the Academy under Otto Mueller was shown on a big exhibition. Gerti and me! 1922“.
In this time Gerti Koper and her sister were models for Camaros paintings.

This and many other early works by Camaro were lost during the Second World War. In the catalogue raisonné of paintings by Camaro, written by Anna Krüger, the early work, which was kept in an early handwritten registration by Paul Reißert, is included for the first time.

#13

In unserem #weeklycamaro #13 sitzt eine Frau mit blondem, langem Haar auf einer Veranda.
Ein grünes Haarband mit üppiger Schleife schmückt ihr Haupt. In ihren Händen hält sie ein Buch, welches aufgeschlagen auf ihrem Schoß liegt.
Es entsteht der Eindruck, dass die Frau von ihrer Lektüre unterbrochen wurde: sie blickt über die Stuhllehne zum Betrachter.
Im Hintergrund grenzt ein weißer Zaun das Grundstück von einem umliegenden Wald ab.

„Rekonvaleszenz“ hängt in der derzeitigen Ausstellung „Alexander Camaro zum 120. Geburtstag“ im Camaro Haus. Dort wird in einem weiteren Werk das Motiv einer sitzenden, mit dem Blick über die Stuhllehne zum Betrachter dargestellten Frau im Kleinformat „Lesendes Mädchen mit weissem Hund“ von 1946 gezeigt. Es verdeutlicht hervorragend, dass Camaro bestimmte Inhalte und Motive immer wieder in seinen Werken aufgriff.

[Alexander Camaro, Rekonvaleszenz, 1980/85, Acryl, Pastell und Kreide auf Leinwand
©Camaro Stiftung / VG Bild-Kunst Bonn]
[EN]

In our #weeklycamaro #13, a female figure with long blonde hair sitting on a veranda. A green hair band with a lush bow adorns her head. She holds an open book in her hands, which lies on her lap. It seems, that the woman has been interrupted from reading: she looks over the chair back to the viewer. In the background, a white fence separates the plot from the forest.
„Rekonvaleszenz“ is hanging in the current exhibition „Alexander Camaro on his 120th birthday“ in the Camaro Haus. There, in another art work, the motif of a seated woman, shown looking over the back of the chair at the viewer, is represented in the small format „reading Girl with white Dog“ from 1946. It clarify, that Camaro repeatedly took up certain content and motifs in his art works.

#12

Der leicht gesenkte Kopf eines blauen Stiers dominiert in #weeklycamaro #12 den Bildinhalt. Er ist dem Betrachter zugewandt. Hinter ihm kaum ersichtlich zeigt sich das Profil eines zweiten  Stiers. Besonders die spitzen Hörner beider Tiere kommen in dem Ton in Ton gehaltenen Bild zur Geltung.
Darstellungen von Stieren entstanden zwischen 1947 und 1952 in Alexander Camaros Werken – zumeist im Kontext von Stierkämpfen. In dem Werkverzeichnis des malerischen Werks des Künstlers, schrieb Anna Krüger diesen Nachkriegsbildern einen metaphorischen Charakter zu.
Eine „ritualisierte Grausamkeit [und] der Ausdruck von Solidarität“ würde in den Stierbildern festgehalten.
Camaro hielt sich nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Male in Spanien und Südfrankreich auf, wo er Gelegenheit hatte, Stiere und Stierkämpfe zu beobachten.

Zu sehen ist das Werk „Stiere“ in der derzeitigen Ausstellungen „Alexander Camaro zum 120. Geburtstag“ sowie das Werkverzeichnis im Camaro Haus.

[Alexander Camaro, Stiere, 1950, Öl auf Leinwand, 66x85cm

©Camaro Stiftung / VG Bild-Kunst Bonn]

[EN]

The slightly bowed head of a blue bull dominates #weeklycamaro #12. The animal looks upon the viewer. Barely visible behind him we discover the profile of a second bull. Especially the horns are heighten in the tone-in-tone painting. Camaro created depictions of bulls between 1947 and 1952 – mostly in the context of bullfights. In the catalog raisonné of the artist’s paintings, Anna Krüger attributed a metaphorical character to these post-war paintings. A „ritualized cruelty [and] expression of solidarity“ are shown in the paintings with bulls.
After the Second World War, Camaro visited Spain and South France several times, where he got the occasion to watch bulls and bullfights.

The painting „bulls“ is sown in the current exhibition as well as the catalog raisonné viewable in the Camaro House.

 

#11

Unser #weeklycamaro #11 zeigt eine nahezu lebensgroße weibliche Figur, im Bildtitel als Renata definiert. Camaro heiratete 1966 seine ehemalige Meisterschülerin Renate Gentner, die sich seit ihrem Studium Renata nannte. Sie war ihm nicht nur Geliebte, Inspiration und Künstlerin; Alexander Camaro machte sie auch zum Bildinhalt zahlreicher Werke – oftmals sitzend.
Dass Camaros Verehrung zu Renata groß war, spiegelt sich in diesem Bildnis wieder. Nahezu majestätisch wird „Renata im Pelz“ zum Bildmittelpunkt erhoben. Sie sitzt auf einem Sessel, anatomisch entgegen akademischer Grundlagen dargestellt. Dabei trägt sie einen hermelinartigen Pelzmantel und eine Pelzmütze. Man muss an „Venus im Pelz“ von Leopold Sacher-Masoch denken.
Das Werk enthält eine mehrdeutige Narration. Es scheint ein Zwischenzustand festgehalten worden zu sein: kurz bevor sie aufsteht, um möglicherweise hinauszugehen oder kurz bevor sie sich hinsetzt, nachdem sie draußen war?
Mit diesem Dazwischen entsteht der Eindruck, dass Renata fast zu schweben scheint.
Dieses Gemälde ist Bestandteil der im Camaro Haus derzeitig präsentierten Ausstellung „Alexander Camaro zum 120. Geburtstag“.

[Alexander Camaro, Renata im Pelz, 1974, Öl auf Leinwand, 200x150cm
©Camaro Stiftung / VG Bild-Kunst Bonn]

[EN]
Our #weeklycamaro #11 shows a nearly life-size female figure, in the caption defined as Renata. Camaro married his former master student Renate Gentner in 1966, who called herself Renata since study times. She was not only lover, inspiration and artist; Alexander Camaro painted her in numerous works – often seated.
The portrait reflects Camaro´s  great adoration for Renata. Almost majestically “Renata in furs“ is increased to the center of the painting. She is sitting on a chair, shown anatomically contrary to academic principles. She wears an ermine-like fur coat and a fur hat. One has to think of „Venus in furs“ by Leopold Sacher-Masoch.
The work contains an ambiguous narration. An intermediate state seems to have been captured: just before she stands up, possibly to go outside, or just before sitting down after being outside? This in-between gives the impression that Renata almost floating.

This painting is part of the exhibition „Alexander Camaro on his 120th Birthday“ currently being presented in the Camaro House.

Nachruf: Susanne Riée (1927 – 2020)

Am 18. Januar wäre sie 95 Jahre alt geworden.
Wie gerne würden wir den Geburtstag von Susanne Riée mit allen, die sie liebten und schätzten, feiern!
Wir hatten geplant, am 18. Januar ihre Kunst und ihre Freundschaft mit Familie und Freunden im Camaro Haus – in dem noch ihre Erzählungen so lebendig nachklingen – zu zelebrieren;  „ihr“ Chor wäre an diesem Tag gerne aufgetreten.

Noch einmal wird die Pandemie auch diesen Plan verhindern.
Wir hoffen möglichst bald mit einer Gedenkfeier an die lebensfrohe Künstlerin erinnern zu dürfen.
Sie war die langjährige Lebensgefährtin von Alexander Camaro und beide blieben sich auch nach der Trennung lebenslang unentbehrlich. Außergewöhnlich war ihre Kenntnis von der Berliner Nachkriegskunst, an der viele ihrer Freund:innen beteiligt waren und von der sie stets interessante Anekdoten lebendig erzählen konnte.

Sie fehlt uns so sehr!
Wir sind dankbar und halten ihren künstlerischen Nachlaß in Ehren.

Ihr Camaro Team

 

[Foto: Matthias Reichelt, 2017]